Das Arbeitsmarktservice erprobt eine neue Form der Betreuung für Langzeitarbeitslose. Nun liegt die erste Evaluierung vor. Das Modell ist erfolgreich – weil es auf Freiwilligkeit setzt
Kontrolltermine. Verpflichtende Bewerbungen. Ein Zwang zur Teilnahme an Weiterbildungskursen. Wer sich weigert, dem droht die Sperre des Arbeitslosengeldes oder der Mindestsicherung. Das sind die üblichen Spielregeln beim Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich.
Doch seit einiger Zeit testet das AMS ein neues Betreuungsformat für Langzeitarbeitslose, bei dem jeglicher Zwang abgeschafft ist. Eine Pflicht, sich zu bewerben oder irgendwelche AMS-Kurse zu absolvieren, gibt es da nicht mehr.
Die Angebote dienen zur sozialen Stabilisierung für Betroffene. Die Menschen sollen eine geordnete Tagesstruktur bekommen – die Vermittlung auf den Jobmarkt steht gar nicht im Fokus. Die neuen Einrichtungen gibt es bereits in sieben Bundesländern.
Positive Erkenntnisse
Nun liegt eine erste umfangreiche Evaluierung des Projektes vor. Sie fällt ausgesprochen positiv aus. Das neue System erscheint vielversprechend, und gerade die Freiwilligkeit dürfte einen wesentlichen Anteil daran haben. Die Einrichtungen, die im Auftrag des AMS neue Betreuungsformen anbieten, ähneln einander: So gibt es immer einen „offenen Raum“. Dorthin können Arbeitslose kommen, um zu plaudern und Kaffee zu trinken; in den Räumen werden Deutschkurse angeboten.
Daneben gibt es individuelle Beratung, etwa über die persönlichen Chancen am Jobmarkt. Hinzu kommen Angebote für gemeinsame Aktivitäten: So kann gemeinsam geturnt, gekocht und musiziert werden. Es gibt EDV-Kurse, Angebote für Nordic Walking und Qigong. Es wird gemeinsam gefrühstückt; wer will, kann kommen, um Wäsche zu waschen.
Das AMS weist den neuartigen Betreuungseinrichtungen Kunden zu. Die Betroffenen sind danach verpflichtet, an einer Informationsveranstaltung über die Angebote teilzunehmen. Ab da entfällt der ganze Zwang.
Gruppe mit vielen Problemen
Das AMS hat sich angesehen, was aus jenen 900 Personen geworden ist, die das Programm schon vor drei Monaten verlassen haben. Rund 307 von ihnen oder 34 Prozent haben einen Arbeitsplatz gefunden. Die übrigen sind weiter arbeitslos oder haben das Pensionsalter erreicht.
Dass 34 Prozent der Jobsuchenden eine Stelle fanden, gilt für Experten als Erfolg. Den Projekten wurden schwer vermittelbare Menschen zugewiesen. Sie alle waren mindestens zwei Jahre arbeitslos und mussten zwei der folgenden Kriterien erfüllen: Mindestalter von 45, maximal Pflichtschulabschluss und gesundheitliche Einschränkungen.
Parallel zur internen Auswertung hat das AMS die Beraterfirma Prospect das Konzept evaluieren lassen. Dazu wurden 300 Jobsuchende, AMS-Berater und -Geschäftsstellenleiter befragt.
Laut der Soziologin Friederike Weber von Prospect werden die neuen Einrichtungen von den Arbeitslosen positiver beurteilt als andere AMS-Angebote. 85 Prozent der Befragten zeigen sich sehr zufrieden mit dem Programm. Etwas mehr als ein Drittel kommt mehrmals im Monat in die Beratungsstellen. Die Hälfte erscheint einmal im Monat.
Die AMS-Leiter und die Betreuer in den Einrichtungen sagen, dass die Freiwilligkeit der Projekte extrem wichtig sei, weil damit „die Selbstständigkeit, Eigenmotivation und Selbstbestimmtheit der Zielgruppe gefördert wird“, heißt es in der Studie.
Neuausrichtung beim AMS
Das Programm ist Teil einer Neuausrichtung beim AMS. Arbeitslose werden in drei Kategorien eingeteilt, je nachdem ob sie gute, mittlere oder schlechte Jobperspektiven haben. Die Einteilung wird per Algorithmus durchgeführt. Für Menschen mit mittlerer Perspektive sollen alle Förderinstrumente wie bisher offenstehen.
Für Personen mit schlechten Aussichten gilt das nicht. Sie sollen vermehrt in den Einrichtungen auf freiwilliger Basis betreut werden. Eine Neuerung hat der Algorithmus schon gebracht. Den niedrigschwelligen Projekten werden nur Menschen zugewiesen, deren Perspektiven laut Algorithmus schlecht sind.
Der Idealfall: eine Win-win-Situation. Menschen, die das ohnehin überfordert, werden nicht mehr zwangsweise in teure Qualifizierungsprogramme gesteckt oder gezwungen, sich ständig zu bewerben, obwohl es sinnlos ist.
Das AMS könnte Geld sparen, weil die neuen Einrichtungen vergleichsweise günstig arbeiten und sich auf Jobsuchende mit mittlerer Perspektive konzentrieren. Aktuell können Menschen ein Jahr an den neuen Programmen teilnehmen – und anschließend um ein Jahr verlängern.
Weiterführende Angebote
Viele Fragen sind noch offen. Funktionieren die neuen Einrichtungen etwa auch dann so gut, wenn sie flächendeckend angeboten werden? Zu berücksichtigen gilt es natürlich, dass die Konjunktur im vergangenen Jahr stark angezogen hat. Die Rahmenbedingungen waren also perfekt. Schließlich: Wird die Freiwilligkeit als Modell bestehen bleiben, wenn eine öffentliche Debatte dazu in Gang kommt? Kein Druck auf Arbeitslose: Geht das?
Judith Pühringer, Chefin von Arbeit plus, einem Netzwerk von gemeinnützigen Unternehmen, kann dem Modell viel abgewinnen. Aber: Wichtig wäre aus ihrer Sicht, dass Menschen nicht dauerhaft in den neuartigen Betreuungseinrichtungen bleiben, sondern es anschließende und weiterführende Angebote zur Arbeitsmarktintegration gibt.
Bisher wurden und werden etwas mehr als 2600 Menschen in den neuen, auf Freiwilligkeit beruhenden Einrichtungen betreut. In Wien übrigens hat es (wie in Kärnten) bisher keine Tests mit dem neuen Modell gegeben. Das soll sich bald ändern. Ab Juli starten in der Hauptstadt erste Angebote. Österreichweit geht der Aufbau der Kapazitäten weiter.
Quelle: https://derstandard.at
Hatte heute auch diesen sogennanten Informationstag
Da hörte sich das aber ganz anders an.
Ja kaffee trinken und bla bla bla
alles freiwillig
ABER :
1 mal im Monat muß ich mit einer Psychologien sprechen ob ich will oder nicht
Also so ne art Zwangspsychotherapie
Ich frage mich nur was soll das bringen
Wäre super wenn man sowas auch in Vorarlberg anbieten würde !!!
Bin gerade zufällig auf diese Seite gestoßen und war über den Beitrag sehr überrascht.
Ich lebe in Wien, bin seit ca. 1 Jahr arbeitssuchend und habe nicht ansatzweise so etwas vom AMS gehört. Genau im Gegenteil ! Wurde erst vor kurzem persönlich angerufen, weil sich ein Unternehmen, von ca. 100 verschickten Bewerbungen über diese eine beim AMS beschwerte, und es wurde mir sofort mit einer Geldsperre und einer Zwangsmaßnahme gedroht. Zusätzlich bekomme ich heute eine SMS, wo es heißt, ich werde morgen „wie vereinbart“ angerufen, obwohl weder eine schriftliche noch telefonische Vereinbarung für diesen Tag vorhanden ist. Wahrsch. wegen dieser einen Beschwerde möchte man mich jetzt Mobben. Ohne Rücksicht darauf, dass ich aktiv suche, selber ein Inserat als Jobsuchender in einem Jobportal stehen habe, welches absolut meiner Eigeninitiative entstammt. Und das beste wäre, dass ich meiner Beraterin letzte Woche ein ausgefülltes Formular für eine Arbeitserprobung gesendet habe, von einem Unternehmen welches ich selber fand.
Das AMS kann weder Nachfragen, noch objektiv Urteilen. Andere Leute die ich kenne, welche 1-2 Bewerbungen im Monat schreiben und sonst nichts tun, werden nicht kritisiert. Das ist sehr seltsam.
Ich werde mich auf jeden Fall, wenn ich doch angerufen werden sollte, und die Person nicht freundlich ist, mich bei der jeweiligen Ombudsstelle beschweren. Sollten auch andere tun, wenn man von der Rechtslage her auf der sicheren Seite ist.
Diese Leute haben nicht das Recht uns einfach willkürlich zu behandeln.
mfg,
Erdi
Man ist der Willkür des AMS ohnmächtig ausgeliefert. Mit diesen Schikanen machen sie einen krank, anstatt zu helfen. Ich bin jetzt direkt in diese Mühlen geraten, das AMS raubt mir Nerven und Energie, die ich dringend für den Bewerbungsprozess bräuchte. Völlig kontraproduktiv.
Ich bin heute zufällig auf diese Seite gestoßen. Ich gehöre wirklich zu den Langzeitarbeitslosen (seit 2016). Jetzt bekomme ich seit Wochen kein Geld vom AMS, weil ich nicht so springe, wie die pfeifen. Bis jetzt habe ich alle unsinnigen „Schulungsmaßnahmen“ mitgemacht, beim letzten Mal, als ich zu einem sogenannten Infotag sollte, war ich gerade arbeiten (geringfügige Beschäftigung). Als ich das dem AMS mitteilte, wurde mir erklärt, sie könnten darauf keine Rücksicht nehmen. Da ich zu Hause keinen PC habe, kam die Nachricht verspätet bei mir an, worauf hin sofort das Notstandsgeld gestrichen wurde. Da sind diese Typen wirklich fix. Sonst bringen sie nichts zustande.
Also: von wegen keine Zwang. Alles heiße Luft
Ich bin gerade zufällig auf diesen Bericht gestoßen. Der ist eine riesengroße Frechheit. Ich gehöre wirklich zu den alten Langseitarbeitslosen (seit 2016). Seit ca. 6 Wochen erhalte ich keine Notstandshilfe (liegt unter der Mindestsicherung), weil ich nicht so springe, wie die AMSler pfeifen. Bis jetzt habe ich jeden Schwachsinn kommentarlos mitgemacht, lauter sogenannte Schulungsmaßnahmen, wo ich „fit gemacht werde für den ersten Arbeitsmarkt“!!!!!!!!!???????. Als ich wieder zu einem Infotag sollte, war ich gerade Arbeiten (geringfügige Beschäftigung), daher habe ich um einen anderen Termin ersucht. Darauf hin wurde mir vom AMS mitgeteilt, dass sie darauf keine Rücksicht nehmen können. Ich habe zu Hause keinen Computer, daher hat mich die Nachricht auch zu spät erreicht. Sofort wurde das Geld gestrichen, da sind diese Typen fix. Sonst bringen sie nichts auf die Reihe. Seit ca. 6 Wochen bekomme ich keine Unterstützung mehr.
So viel dazu, dass keine Zwang mehr ausgeübt wird. Alles Lüge, alles heiße Luft.
Die Beraterinnen dort sind überaus nett und kompetent – jedoch bleibt man trotzdem weiterhin in Betreuung beim zuständigen AMS-Betreuer. Das AMS gibt einen nicht aus der Hand. Man muss weiterhin (bzw zusätzlich) alles so weitermachen, wie vom AMS vorgegeben – Bewerbungen, Kurse, bla bla bla.
ach ja – und Kontrolltermine bleiben auch unverändert. Es ändert sich eigentlich gar nichts außer, dass man zusätzliches (freiwilliges) Kurs- und Freizeitangebot erhält, aufmunternde Gespräche (das ist auch sehr hilfreich) und eben sozialpädagogische Unterstützung. Es ist lobenswert, aber nicht wirklich „entlastend“ – da man den AMS-Regime damit NICHT entkommt.
wirklich helfen würde nur ein grundeinkommen und die dadurch echte freiheit, wirklich selbst entscheiden zu können. diese zwänge machen krank. und auch von regierung/medien wird klargemacht/gehetzt, dass wir langzeitarbeitslose menschen letzter klasse sind.
Hat man denn nicht Anspruch auf Mindestsichrrung, wenn man vom AMS gesperrt wird?
Angenommen die Notstandshilfe wird zb gesperrt, kann mir jemand sagen wie lange die sperre dauert oder is das dauerhaft? Sollte man nicht Mindestsichrrung bekommen können?
Ich habe zwar zum Glück seit einigen Monaten eine Arbeit, die Eindrücke die ich vorher beim AMS sammeln „durfte“ werden mir aber mein Leben lang in Erinnerung bleiben.
Wenn dieser Kurszwang tatsächlich abgeschafft wurde, wäre das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt aber noch andere Fehler im System. Sinnbefreit finde ich zum Beispiel dass nach dem Berufsschutz (während der Arbeitslose), bei Notstandsbezug zu jeglicher Berufstätigkeit zwangsvermittelt werden kann. Das wird gerade bei Langzeitarbeitslosen gerne als Druckmittel eingesetzt, auch um unattraktive Stellen im Niedriglohnsektor zu besetzen. Auf Qualifikationen und ehemalige Berufserfahrungen, Wünsche, wird da von manchen AMS-Angestellten keine Rücksicht mehr genommen. Dabei stellt sich vor allem die Sinnfrage deshalb, weil es ziemlich naiv ist zu glauben, solche Zwänge wären langfristige Lösungen. Diese Menschen landen ja schnell wieder beim AMS. Besser wäre hier zum Beispiel im Notstand sich auf ein paar gegenseitig verbindliche Tätigkeiten (etwa 5) schriftlich zu einigen, die dann vom Notstandsbezieher nicht abgelehnt werden dürfen, aber alle darüber hinaus gehenden Vermittlungen freiwillig bleiben. So sollten endlich Zangsvermittlungen bei denen sich Fachkräfte mit Hochschulabschluss für zB Lagerarbeiter, Reinigungskräfte, Müllentsorger, … bewerben müssen endlich der Vergangenheit angehören.
Ebenso unsinnig die Regel dem AMS in allen Fällen tagsüber zur Verfügung stehen zu müssen. So werden oft private (selbst finanzierte) Iniatitiven zur sinnvollen Weiterbildung nicht genehmigt wenn diese tagsüber stattfinden. Das ist nur möglich, wenn es offiziell vom AMS gefördert wird. Sinnvoller wäre es, wenn jegliche private Weiterbildung (bei denen es zum. auch ein Zertifikat oder Diplom am Ende gibt, keine VHS-Kurse und ähnliches) prinzipiell zulässig ist, aber diese ggü. einer konkreten Arbeitsaufnahme nachrangig bleibt. Eigeniniatitiven werden oftmals viel zu wenig geschätzt und es klingt dann wie ein Hohn wenn man dann von manchen AMS-Leuten sowas wie „Privatsache“ oder „Freizeitvergnügen“ hören muss, selbst wenn das alles andere als Spaß bedeutet, sondern viel eher Anstrengung und Nervenstress um die Prüfungen bestmöglich zu schaffen.
So lange dieses System so aufrecht besteht wird es immer ungerecht, aber auch sinnbefreit bleiben. Mit manchen Änderungen könnte man mehr erreichen, und zwar im Sinne beider Seiten.