(ACHTUNG: Mit 1.01.08 wurde das Gesetz an Rechtswidrigkeiten angepasst und VwGH-Erkenntnis für irrelevant erklärt! Jedoch müssen Arbeitnehmerrechte eingehalten werden!)
Volkshilfe`s Kommuna und Benefit Work von der Caritas der Erzdiözese Wien sind Transitarbeitsplätze mit „freiwilliger“ Teilnahme!
Auch soziale Einrichtungen beteiligen sich an Zwangsarbeit! Ein Verstoss gegen die Menschenrechte! Ein soziales gesellschaftliches Drama! (Austrofaschistisches Erbe!)
Gerichtstyp VwGH Erkenntnis / Geschäftszahl 2005/08/0209 /
Entscheidungsdatum 20061025 / Veröffentlichungsdatum 20061129
Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
Norm
AlVG 1977 §10 Abs1; AlVG 1977 §9 Abs1; AlVG 1977 §9 Abs2; VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2005/08/0207
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und
Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner,
über die Beschwerden des S in W, I. zur Zl. 2005/08/0209
vertreten durch Mag. Markus Kajaba, Rechtsanwalt in 1010 Wien,
Schottenring 12, und II. zur Zl. 2005/08/0207 vertreten
durch Mag. Martin Kratky, Rechtsanwalt in 1010 Wien,
Museumstraße 4, gegen die auf Grund von Beschlüssen des
Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide
der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien zu
I. vom 19. September 2005, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2005-
7449, und zu II. vom 5. Oktober 2005, Zl. LGSW/Abt.3-
AlV/1218/56/2005-7691, wegen Verlust der Notstandshilfe, zu Recht
erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit
infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem
Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt
EUR 1.982,40,– binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen.
Begründung
Zu I.: In einer am 8. Juli 2005 mit dem Beschwerdeführer
beim Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße aufgenommenen
Niederschrift wegen des Nichtzustandekommens einer zugewiesenen
Beschäftigung heißt es unter anderem:
„Herrn (Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am
28.6.2005 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft beim
Dienstgeber Volkshilfe Kommuna mit einer Entlohung von Brutto
EUR 850,– zugewiesen. Möglicher Arbeitsantritt am 5.7.2005.“
Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, der die
Unterfertigung der Niederschrift verweigerte, findet sich in der
Niederschrift nicht.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße vom
26. Juli 2005 wurde der Verlust des Anspruchs des
Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 5. Juli bis
zum 15. August 2005 ausgesprochen; Nachsicht wurde nicht erteilt.
Begründend wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer eine vom
Arbeitsmarktservice zugewiesene Stelle bei der Volkshilfe Kommuna
nicht angenommen habe.
In der dagegen erhobenen – als Einspruch bezeichneten –
Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei im Burgenland
gewesen und habe den Zug versäumt. Er habe sich telefonisch
entschuldigt. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er einen neuen
Termin bekomme.
In einer am 26. August 2005 bei der belangten Behörde
aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer ergänzend zu
seinen Ausführungen in der Berufung an, er habe wegen der
Versäumung des Zuges nicht gewusst, dass der Arbeitsbeginn für den
5. Juli 2005 vorgesehen gewesen sei.
In einem der Niederschrift chronologisch nachgeordneten
Aktenteil findet sich ein automationsunterstützt gefertigter
Ausdruck mit unter anderem folgender Eintragung: „Schulungsträger
Volkshilfe = Beschäftigungsinitiativen Bezeichnung … Kommuna“
Gemäß einer „Vorstellungsbestätigung“ vom 16. September 2005
wird von der „Volkshilfe. Kommuna“ bestätigt, dass der
Beschwerdeführer den Vorstellungstermin am 5. Juli 2005 „wegen
einer Zugverspätung nicht wahrnehmen konnte“.
Zu II.: In einer mit dem Beschwerdeführer wegen des
Nichtzustandekommens einer zugewiesenen Beschäftigung am
22. August 2005 beim Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße
aufgenommenen Niederschrift heißt es unter anderem:
„Herrn (Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am
16.8.05 eine Beschäftigung als Transitarbeiter beim Dienstgeber
Benefit Work mit einer Entlohung von Brutto EUR 650,– zugewiesen.
Möglicher Arbeitsantritt am 17.8.05.
Zur Stellungnahme des Dienstgebers, der Beschwerdeführer sei
am 17. August 2005 nicht gekommen, erklärte der Beschwerdeführer
wörtlich:
„Das ist eine Kettenreaktion, da ich nur 4 Tage ausbezahlt
bekommen habe daher kann ich mir keine Wochenkarte kaufen und kann
nirgends hinfahren.“
Mit Bescheid vom 8. September 2005 sprach das
Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße den Verlust des Anspruchs
des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 17.
August bis zum 11. Oktober 2005 aus. Begründend wurde ausgeführt,
dass der Beschwerdeführer eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte
zumutbare Beschäftigung bei Benefit Work nicht angenommen habe.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer
aus, er habe im August 2005 nur für vier Tage Leistungen aus der
Arbeitslosenversicherung erhalten. Da er kein Geld habe, habe er
keine Wochenkarte kaufen und daher die vorgeschriebenen Termine am
17. bzw. 18. August 2005 nicht einhalten können.
In einem automationsunterstützt gefertigten Ausdruck mit der
Überschrift „Schulungsträger Benefit Work“ heißt es:
„Die Caritas der Erzdiözese Wien betreibt seit November 2003
ein vom Arbeitsmarktservice Wien und WAFF (Wiener ArbeiterInnen
Förderungsfonds) gefördertes neues gemeinnütziges
Beschäftigungsprojekt, benefit Work im 22. Bezirk in Stadlau.
Benefit Work bietet ihnen ein befristetes Dienstverhältnis.
Arbeitszeit: 25 Wochenstunden (Montag bis Donnerstag)
Entlohnung: EUR 650,- brutto/14 Mal/Jahr
Tätigkeitsfelder: im gemeinnützigen Bereich
(Sortiertätigkeiten, Bügeln, Fahrradservice, handwerkliche
Anlerntätigkeiten, Reinigung unserer Halle und Büros,
Grünraumbewirtschaftung und -gestaltung).“
Mit dem zur Zl. 2005/08/0209 angefochtenen Bescheid hat die
belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge
gegeben und führte begründend aus, dem Beschwerdeführer sei vom
Arbeitsmarktservice Dresdner Straße am 28. Juni 2005 eine
Beschäftigung als Transitarbeitskraft beim Dienstgeber Volkshilfe
Kommuna angeboten worden. Den Vorstellungstermin habe der
Beschwerdeführer nicht eingehalten, weil er den Zug nach
Wien versäumt habe. In diesem Verhalten sah die belangte Behörde
eine Vereitelung der Annahme der Beschäftigung.
Mit dem zu 2005/08/0207 angefochtenen Bescheid hat die
belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den
Bescheid des Arbeitsmarktservice Dresdner Straße vom
8. September 2005 abgewiesen. Begründend führte die belangte
Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei vom Arbeitsmarktservice
Dresdner Straße am 16. August 2005 eine Beschäftigung als
Transitarbeitskraft beim Dienstgeber Benefit Work angeboten
worden. Diese Beschäftigung sei nicht zustande gekommen, weil der
Beschwerdeführer zum Vorstellungstermin nicht gekommen sei. Diese
Verhalten wertete die belangte Behörde als Vereitelung der Annahme
dieser Beschäftigung.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden, die
wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zu einem
gemeinsamen Verfahren verbunden worden sind.
Die belangte Behörde hat jeweils eine Gegenschrift erstattet,
in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden Beschwerden in
einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich aus einem in der
Beschwerde zwar nicht genannten, aber im Rahmen des
Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund als
rechtswidrig:
Die Zuweisung des Beschwerdeführers sollte in beiden Fällen
als „Transitarbeitskraft“ zu „Beschäftigungsinitiativen“ erfolgen.
Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden nicht
näher dargestellt, worum es sich bei diesen Projekten und bei den
konkret zugewiesenen Beschäftigungen gehandelt hat. Nach den
Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden und nach der
Aktenlage handelte es sich um Zuweisungen zu sogenannten
„Transitarbeitsplätzen“, somit befristeten Dienstverhältnissen mit
Entlohnungen, die sich nicht an Kollektivverträgen orientieren,
deren Angemessenheit somit in Frage steht (vgl. das Erkenntnis vom
15. März 2005, Zl. 2004/08/0227).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits mehrfach mit
solchen Zuweisungen, sei es zu Schulungsmaßnahmen zur
Wiedereingliederung, die in das rechtliche Kleid eines
Arbeitsverhältnisses gekleidet wurden (vgl. das Erkenntnis vom
20. April 2005, Zl. 2004/08/0096), sei es direkt zu
„Transitarbeitsplätzen“ (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 2004,
Zl. 2002/08/0262), auseinander zu setzen. Dabei wurde
ausgesprochen, es sei unzulässig, eine Schulungs-, Umschulungs-
oder Wiedereingliederungsmaßnahme rechtlich als Arbeitsverhältnis
zu jener Einrichtung zu gestalten, welche die Maßnahme
durchzuführen hat (mit der Konsequenz des Entfalls von
Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe), und sodann die – nach
erfolgreicher Durchführung der Maßnahme – erforderliche weitere
Arbeitsvermittlung dieser Einrichtung zu überlassen.
Nach den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen
Feststellungen und der Aktenlage ist nicht erkennbar, ob sich die
vorliegenden Zuweisungen in dieser Hinsicht von jenen
unterscheiden. Dazu bedarf es einer Ergänzung des Sachverhaltes
dahin, ob es sich um Zuweisungen des Beschwerdeführers zu einer
Maßnahme oder zu einer Beschäftigung gehandelt hat, wie das eine
oder andere im Einzelnen ausgestaltet ist und worin sich
allenfalls diese Zuweisungen von der in den zitierten
Erkenntnissen unterscheiden. Erst wenn dazu Feststellungen
getroffen wurden, kann die entscheidende Rechtsfrage nach der
Vereitelung beantwortet werden.
Sollte es sich um Zuweisungen zu Beschäftigungsverhältnissen
handeln, so wäre als angemessene Entlohnung im Sinne des § 9
Abs. 2 AlVG zumindest das nach dem im konkreten Fall anzuwendenden
Kollektivvertrag gebührende Entgelt für die zugewiesenen
Beschäftigungen erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom
18. Dezember 2003, Zl. 99/08/0121, mwN).
Zudem ist fraglich, ob es sich bei den Beschäftigungen um am
allgemeinen Arbeitsmarkt angebotene handelt. Die belangte Behörde
hätte angesichts der Ungewöhnlichkeit der angebotenen
Arbeitsbedingungen (etwa die Befristung der zugewiesenen Stelle
auf ein Jahr, die ungewöhnlich niedrige Entlohnung) auch
Feststellungen dazu zu treffen gehabt, ob es sich bei den in
Aussicht genommenen Beschäftigungen überhaupt um am allgemeinen
Arbeitsmarkt angebotene versicherungspflichtige Beschäftigungen
oder um bloße Transitarbeitsplätze handelte, wofür es – wie
bereits ausgeführt – entsprechende Hinweise im Akt gibt (zur
Unzulässigkeit der Zuweisung eines Transitarbeitsplatzes unter
Entfall der Geldleistungen nach dem AlVG vgl. das bereits zitierte
Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2002/08/0262; zum eben Gesagten
vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0053).
Nach dem Gesagten bedarf der Sachverhalt in wesentlichen
Punkten einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß
§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Oktober 2006
Dokumentnummer
JWT/2005080209/20061025X00
7.09.2007