Rechtsanwalt Dr. Pochieser zu wichtigen Fragen!
1. In welcher Höhe müssen Fahrtkosten, die bei einem Kursbesuch anfallen, vom AMS ersetzt werden?
Bei der Ermittlung des Betrages, die die Aufwendungen ersetzen sollen, die im Rahmen des Kursbesuches anfallen, ist von der wirtschaftlichen Lage der betreffenden Person auszugehen. Für die Ermittlung einer eventuellen Notlage müssen die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeitslosen und ihres Lebenspartners geprüft und relevante von irrelevanten Ausgaben unterschieden werden. Die maßgeblichen Bestimmungen sind in § 36 AlVG vorgegeben:
§ 36
(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erlässt nach Anhörung der
gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer
Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe. In diesen Richtlinien kann
das Ausmaß insbesondere nach Familienstand, Sorgepflichten, Alter des Ar-
beitslosen und Dauer der Arbeitslosigkeit abgestuft werden. Die Notstands-
hilfe darf jedoch mit keinem höheren Betrag als dem des Arbeitslosengeldes
festgesetzt werden und unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 nicht unter
75 vH des Arbeitslosengeldes sinken.
(2) In den nach Abs. 1 zu erlassenden Richtlinien sind auch die näheren
Voraussetzungen im Sinne des § 33 Abs. 4 festzulegen, unter denen Notlage
als gegeben anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesam-
ten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des
mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden
Ehepartners (des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichti-
gen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt,
Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort u. a.) wird der gemeinsame Haushalt
nicht aufgelöst. Weiters sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze
Bestimmungen darüber zu treffen, inwieweit für den Fall, daß das der Beur-
teilung zugrundeliegende Einkommen nicht ausreicht, um die Befriedigung der
notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen sicherzustellen, Notstands-
hilfe unter Anrechnung des Einkommens mit einem Teilbetrag gewährt werden
kann. Bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe ist sicher-
zustellen, daß die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt. . .
Die Freigrenzenerhöhungsrichtlinie bezieht sich auf alle Aufwendungen zur Erwerbung und Erhaltung des arbeitslosen Enkommens. Problematisch dabei ist, dass laufende Mietzahlungen davon ausgenommen sind
(5) Eine Erhöhung der im Abs. 3 lit. B lit. a angeführten Freibeträge in
berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Krankheit, Schwangerschaft, Nie-
derkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl. kann im Rahmen der vom Ar-
beitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen.
Bei Ablehnung des beantragten Zuschusses sollte, wie auch sonst immer, darauf geachtet werden, dass die Mitteilung in Form eines Bescheides erfolgt. Verlangen! Gegen den negativen Bescheid kann dann eine Berufung erfolgen, die die Schilderung der Notsituation und die Aufstellung der für den Kursbesuch anfallenden finanziellen Aufwendungen enthält. Am Besten verweist man gleich beim Antrag auf die einschlägigen Bestimmungen des § 36.
2. Im AMS war ein Rundschreiben an alle Geschäftsstellen ergangen, das die MitarbeiterInnen anwies, bei Zuweisungen zu
gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassern keine Anspruchsverluste mehr
auszusprechen. Die Bitte um Zusendung des Textes war vom Sprecher des Wiener AMS, Dr. Paul Nosko negativ beschieden worden:
„Die Verhängung eines Anspruchsverlustes bei Zuweisung zu einem
gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser ist in einem gesonderten Verfahren
nach dem AlVG zu beurteilen. Fragen nach der Rechtmäßigkeit der
Entscheidungen sind in den konkreten Verfahren zu stellen und können daher
nicht Gegenstand einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz sein (vgl.
Achatz, Das Auskunftspflichtgesetz, NZ 1988, 209).“
Das ist aus der Sicht des Rechtsanwaltes unrichtig! Von der Auskunftspflicht sind auch Verwaltungspraktiken betroffen. Da der/die einzelne Arbeitslose Zielobjekt der Verwaltungspraktiken des AMS ist und diese ihrem Charakter und ihrer Intention nach geeignet sind, auf seine/ihre persönliche Lage Einfluss zu nehmen, besteht von Seiten des AMS Auskunftspflicht über maßgebliche Praktiken. Der Sinn in der Auskunft besteht in der Klärung der rechtlichen Situation und der Ergreifung zweckentsprechender Mittel zur Rechtsverteidigung (siehe Protokoll vom 30. August 2006).
3. Eine Arbeitslose war von ihrer Betreuerin im AMS Geiselbergstraße zu „Itworks Personalservice“ geschickt worden. Bei Weigerung, dies war die Auskunft, würde eine Sanktion drohen. Die Frau verlangte nun von dem Geschäftsstellenleiter einen Feststellungsbescheid über diese Zuweisung. Sie erhielt vom Leiter der Geschäftsstelle einen Antwortbrief (kein Bescheid) folgenden Inhalts:
„Ein Feststellungsbescheid über eine durchgeführte Vermittlung ist nicht vorgesehen, da es sich bei der Stellenvermittlung um eine Dienstleistung des Arbeitsmarktservice (AMS) gemäß Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG), und nicht um ein behördliches Verfahren handelt. . .“
Dazu ist zu bemerken:
Das AMS ist eine Behörde! Es besteht in diesem Fall ein Rechtsanspruch auf einen Feststellungsbescheid, wie an anderer Stelle (Beratungsprotokoll vom 30. 8. 2006) schon festgestellt wurde:
Nach der ständigen Judikatur (VfGH vom 3.3.1971, VfSlg 6392) ist ein
Feststellungsbescheid, dessen Gegenstand ein Recht und ein
Rechtsverhältnis ist, nicht nur zulässig, wenn er im Gesetz ausdrücklich
vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung zwar
nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im
öffentlichen Interesse liegt, oder wenn er für eine Partei ein
notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist und
insofern im Interesse einer Partei liegt. Nach der Judikatur des VwGH
liegt ein rechtliches Interesse an einem Feststellungsbescheid vor, wenn
der Feststellungsantrag im konkreten Fall als geeignetes Mittel zur
Beseitigung der Rechtsgefährdung des Antragstellers angesehen werden
kann (VwGH 29.9.1983,82/12/0119 u.a.).
Gegen Bescheide dieser Art soll unverzüglich eine Berufung erfolgen
Nach 6 Monaten sollte, wenn die Behörde nicht aktiv wird und der Forderung nachkommt, bei Gericht ein Devolutionsantrag gestellt werden.
4. Vor etwa 2 Monaten hat sich eine Mieterin in einem Wiener Gemeindebau an die Schlichtungsstelle gewandt mit der Bitte um Überprüfung der Betriebskosten. Bislang gab es keine Vorladung von dieser Stelle. Wie viel Zeit kann sich die Schlichtungsstelle mit der Überprüfung lassen?
Nach dem Mietrechtsgesetz 3 Monate. Dann kann sich die betreffende Mieterin an das Gericht wenden.
5. Manchen Arbeitslosen wird ein „Praktikum“ aufgebrummt. Ist das Absolvieren eines Praktikums für Arbeitslose verpflichtend? Müssen diese bestimmten Kriterien genügen? Kann man Bezahlung über die Notstandshilfe bzw. Arbeitslosengeld hinaus verlangen?
Die Verbreitung dieser Praxis sollte nicht dazu verleiten, dass man ihr eine Berechtigung zubilligt. Es kann niemand dazu gezwungen werden, Gratis-Arbeit zu leisten. Die jeweils geleistete Arbeit in einem sogenannten „Praktikum“ sollte von dem/der betreffenden Arbeitslosen dokumentiert werden, damit er/sie den nach dem Kollektivvertrag dafür geltenden Lohn nachfordern kann.
6. Gegen die rechtliche Auffassung, dass das nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlte Urlaubsgeld auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird, bzw. der/die betreffende Arbeitslose dazu angehalten wird, ihren Antrag erst nach Ablauf der angerechneten Urlaubstage zu stellen.
Achtung! Die Behörde hält sich bei dieser Vorgangsweise an geltendes Recht, wie es im § 16 AlVG festgehalten ist.
(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während . . .
l) des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsent-
gelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) nach dem Urlaubsgesetz, BGBl.
Nr. 390/1976, in der jeweils geltenden Fassung besteht oder eine Urlaubsab-
findung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl.
Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung gewährt wird, nach Maßgabe
des Abs. 4, . . .
Dasselbe gilt auch für Kündigungsentschädigung! (siehe (1) k))
Das geltende Recht ist allerdings aus verfassungrechtlicher Sicht sehr bedenklich, weil die Behörde ja den Arbeitslosen um seinen in Geld ausbezahlten Urlaub bringt.
Der/die AntragstellerIn soll sich nicht durch die von Seiten der AMS-Mitarbeiter einschlägig erteilte Gesetzesauskunft davon abbringen lassen, den Antrag auf Arbeitslosengeld unverzüglich zu stellen. Der Antrag muss gemäß Gesetz negativ beschieden werden. (Es ist wichtig und kann gar nicht oft genug gesagt werden, dass die Ausstellung eines Bescheides den nachfolgenden Rechtsweg bei Einforderung zustehender Gelder in jedem Fall abkürzt! Generell sollte im Zusammenhang mit der jährlichen Antragstellung sofort nach Erhalt der Mitteilung ein Feststellungbescheid angefordert werden.)
Der Rechtsweg durchläuft nun alle Instanzen. Es ist wegen der Evidenz der rechtlichen Schieflage in dieser Frage durchaus anzuraten, den Weg bis zum Schluss zu gehen.
Der/die AntragstellerIn erhält einen negativen Bescheid, gegen den er/sie beruft. Diese Berufung wird abermals zurückgewiesen. Nun hält man einen Berufungsbescheid in Händen, gegen den man nur mehr per Verfassungsgerichtshof vorgehen kann. Die Aussichten, in letzter Instanz zu gewinnen, sind gut, falls die nötige Geduld vorhanden ist.
7. Ein Notstandshilfebezieher meldet sich einen Monat (Juli) vom Bezug ab, da er als Freier Dienstnehmer tätig wird. Die Zusicherung, anschließend wieder Notstandshilfe zu erhalten, wird ihm gegeben.
Nach der Rückmeldung beim AMS kam am 3. August eine Mitteilung über den Leistungsanspruch, die besagte, dass er ab 1. August wieder Notstandshilfe in gewohnter Höhe erhalten würde. Doch das Geld wurde nie ausbezahlt und beim Kontrolltermin wurde ihm dann mitgeteilt, dass er keinen Anspruch für die folgenden Monate hätte, weil er im Juli zu viel verdient hätte. Dadurch konnte er seine Miete bereits einen Monat nicht zahlen.
Notstandshilfe ist keine Sozialhilfe! Es ist nicht zulässig, den Verdienst, der in einer Zeit erzielt wurde, in der der Betreffende vom AMS abgemeldet war und weder Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe beansprucht hatte, vom Leistungsanspruch aus der Versicherung abzuziehen.
Der Arbeitslose sollte auf einer bescheidmäßigen Ausfertigung der erhaltenen Mitteilung vom 3. August bestehen. Diesen Bescheid kann er dann einklagen.
16.11.2006